Westminster Bekenntnis, Artikel 1 – 11

1. Von der Heiligen Schrift

Artikel 1.1

Obwohl der menschliche Verstand (WB 21,1), die Werke der Schöpfung und der Vorsehung die Güte, Weisheit und Macht Gottes so weit offenbaren, um den Menschen unentschuldbar zu machen, so reicht das doch nicht aus, um jene Erkenntnis Gottes und seines Willens zu geben, die zum Heil notwendig ist. Deshalb hat es dem Herrn gefallen, zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlicher Art und Weise sich seiner Kirche zu offenbaren und ihr jenen seinen Willen bekannt zu machen und hernach, damit die Wahrheit besser bewahrt und ausgebreitet und damit die Kirche gegen die Verdorbenheit des Fleisches und die tückische Bosheit Satans und der Welt sicherer bewahrt und getröstet würde, das alles in Schrift verfassen zu lassen. Das ist der Grund, weshalb die Heilige Schrift völlig unentbehrlich ist, nachdem jene früheren Arten, wie Gott seinen Willen seinem Volk zu erkennen gab, nun aufgehört haben.

Artikel 1.2

Unter dem Namen der Heiligen Schrift oder des geschriebenen Wortes Gottes sind nun alle1Die 66 kanonischen (WB 1,3) Bücher setzen sich aus 39 des Alten und 27 des Neuen Testaments zusammen. Vom Philemonbrief an weist die Lutherbibel eine andere Reihenfolge auf: Philem, 1. und 2. Ptr, 1. bis 3. Joh, Hbr, Jkb, Jud, Offb. Bücher des Alten und Neuen Testaments wie folgt zusammengefaßt:

ALTES TESTAMENT
1. bis 5. Buch Mose (Mos)
Buch der Richter (Ri)
1. und 2. Buch Samuel (Sam)
1. und 2. Buch der Chronik (Chr)
Buch Nehemia (Neh)
Buch Hiob (Hiob)
Sprüche Salomos (Spr)
Hohelied Salomos (HL)
Prophet Jeremia (Jer)
Prophet Hesekiel/Ezechiel (Hes/Ez)
Prophet Hosea (Hos)
Prophet Amos (Amos)
Prophet Jona (Jona)
Prophet Nahum (Nah)
Prophet Zephanja (Zeph)
Prophet Sacharja (Sach)
 
Buch Josua (Jos)
Buch Ruth (Ruth)
1. und 2. Buch der Könige (Kön)
Buch Esra (Esra)
Buch Esther (Est)
Psalmen (Ps)
Prediger Salomo (Pred)
Prophet Jesaja (Jes)
Klagelieder Jeremias (Klag)
Prophet Daniel (Dan)
Prophet Joel (Joel)
Prophet Obadja (Obad)
Prophet Micha (Mi)
Prophet Habakuk (Hab)
Prophet Haggai (Hag)
Prophet Maleachi (Mal)
NEUES TESTAMENT
Matthäus-Evangelium (Mt)
Lukas-Evangelium (Lk)
Apostelgeschichte des Lukas (Apg)
1. und 2. Korintherbrief (Kor)
Epheserbrief (Eph)
Kolosserbrief (Kol)
1. und 2. Timotheusbrief (Tim)
Philemonbrief (Philem)
Jakobusbrief (Jkb)
1. bis 3. Johannesbrief (1.-3.Joh)
Offenbarung des Johannes (Offb)
 
Markus-Evangelium (Mk)
Johannes-Evangelium (Joh)
Römerbrief (Röm)
Galaterbrief (Gal)
Philipperbrief (Phil)
1. und 2. Thessalonicherbrief (Thess)
Titusbrief (Tit)
Hebräerbrief (Hbr)
1. und 2. Petrusbrief (Ptr)
Judasbrief (Jud)

Diese sind alle durch Eingebung Gottes geschrieben, zur Richtschnur von Glauben und Leben (WB 1,6; 1,9; 1,10).

Artikel 1.3

Die Bücher, die allgemein Apokryphen genannt werden, gehören – weil sie nicht von Gott eingegeben sind – nicht zum Kanon der Schrift. Deshalb besitzen sie keine Autorität in der Kirche Gottes und sollen in keiner anderen Weise gebilligt oder benutzt werden als andere menschliche Schriften.

Artikel 1.4

Die Autorität der Heiligen Schrift, derentwegen man ihr glauben, und gehorchen soll, beruht nicht auf dem Zeugnis irgendeines Menschen oder irgendeiner Kirche, sondern gänzlich auf Gott (der die Wahrheit selbst ist) als ihrem Autor, und sie ist deswegen anzunehmen, weil sie das Wort Gottes ist.

Artikel 1.5

Zwar kann uns das Zeugnis der Kirche zu einer Hochschätzung und Ehrerbietung der Heiligen Schrift gegenüber bewegen und anleiten, ebenso die himmlische Beschaffenheit des Gegenstandes, die Kraft der Lehre, die Majestät der Redeweise, die Übereinstimmung aller Teile, der Zweck des Gesamten (welcher darin besteht, Gott alle Ehre zu geben); sie offenbart vollständig den einzigen Heilsweg des Menschen. Auch die vielen anderen unvergleichbaren Eigenschaften und ihre gänzliche Vollkommenheit sind Gründe, durch die sie sich völlig überzeugend als das Wort Gottes erweist. Trotzdem stammt unsere volle Überzeugung und Gewißheit bezüglich ihrer unfehlbaren Wahrheit und göttlichen Autorität vom inwendigen Werk des Heiligen Geistes, der es durch das Wort und mit dem Wort in unseren Herzen bezeugt.

Artikel 1.6

Der ganze Ratschluß Gottes – bezüglich alles dessen, was notwendig ist zu seiner eigenen Ehre, zum Heil, Glauben und Leben der Menschen2Als souveräne Offenbarung Gottes über Ursprung, (WB 4; 6) Verlauf (WB 1,1; 19,3-5; 32; 33) und Ziel (WB 8,5; 12; 18,2; 33,3) seiner Schöpfung hat die Heilige Schrift uneingeschränkte Autorität in all ihren Aussagen, seien sie geschichtlicher, chronologischer, geographischer, die Natur (Schöpfung) betreffender oder anderer Art. Dieser Wahrheitsanspruch wird auch dann nicht eingeschränkt, wenn einzelne Aussagen der Schrift vom menschlichen Verstand nicht durchdringbar oder seinen Schlußfolgerungen zu widersprechen scheinen. – ist entweder ausdrücklich in der Schrift niedergelegt oder kann mit guter und notwendiger Folgerichtigkeit aus der Schrift abgeleitet werden, wozu nichts zu irgendeiner Zeit hinzugefügt werden darf, weder durch neue Offenbarungen des Geistes noch durch Menschenüberlieferungen. Nichtsdestoweniger erkennen wir die innere Erleuchtung des Heiligen Geistes als heilsnotwendig an für das Verstehen der Dinge, die im Wort geoffenbart sind, und daß es einige Umstände bezüglich der Gottesverehrung und der Kirchenleitung gibt, die mit menschlichen Verhaltensweisen und Kulturkreisen Gemeinsamkeiten aufweisen und deshalb mit Hilfe des natürlichen Verstandes und der christlichen Klugheit zu ordnen sind, gemäß den allgemeinen Regeln des Wortes, nach welchem man sich immer zu richten hat.

Artikel 1.7

In der Schrift sind weder alle Dinge in sich selbst klar, noch gleich verständlich für jeden; doch sind jene Dinge, die heilsnotwendig sind zu wissen, zu glauben und zu halten, so deutlich vorgestellt und eröffnet an der einen oder anderen Stelle der Schrift, daß nicht nur der Geschulte, sondern auch der Ungeschulte beim rechten Gebrauch der ordentlichen Mittel zu einem ausreichenden Verständnis dessen gelangen kann.

Artikel 1.8

Das Alte Testament in Hebräisch (das die eigene Sprache des Volkes Gottes von alters her war) und das Neue Testament in Griechisch (das zur Zeit seiner Abfassung den Völkern ganz allgemein bekannt war), sind, weil sie von Gott unmittelbar eingegeben und durch seine besondere Fürsorge und Vorsehung zu allen Zeiten unverfälscht bewahrt sind, völlig zuverlässig, sodaß sich die Kirche in allen Religionsstreitigkeiten letztlich auf sie berufen soll. Weil aber diese Ursprachen3Das Bekenntnis zur Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift bezieht sich auf den originalen Urtext, der in zahlreichen, von einander nur geringfügig abweichenden Abschriften überliefert vorliegt. nicht dem gesamten Volk Gottes – das ein Recht und Interesse an der Schrift hat und dem geboten ist, sie in Gottesfurcht zu lesen und zu erforschen – bekannt sind, so sollen sie in die Umgangssprache jedes Volkes, zu dem sie gelangen, übersetzt werden, damit das Wort Gottes reichlich in allen wohne, sie ihm in einer wohlgefälligen Weise dienen und durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben können.

Artikel 1.9

Die unfehlbare Regel der Schriftauslegung ist die Schrift selbst4 Die Heilige Schrift als oberste Richtschnur für Glauben, Denken und Handeln untersteht nicht dem Urteil des Menschen, deshalb können ihre Aussagen durch keinen ihr übergeordneten Maßstab bestätigt oder verworfen werden. Aus diesem Grund stellen Methoden wie die historisch-kritische, die auslegungsgeschichtliche und andere einen unangemessenen Zugang zum Wort Gottes dar.. Deswegen muß, wenn eine Frage über die wahre und volle Bedeutung einer Schriftstelle vorliegt (die nur einen Wortsinn zuläßt), das mit Hilfe anderer Stellen, wo deutlicher davon die Rede ist, erforscht und erkannt werden.

Artikel 1.10

Der oberste Richter, von dem alle Religionsstreitigkeiten entschieden werden und alle Konzilsbeschlüsse, Meinungen von Kirchenvätern, Menschenlehren und einzelne Geister geprüft werden müssen und bei dessen Urteil wir Ruhe finden sollen, kann kein anderer sein als der Heilige Geist, der in der Schrift spricht.

2. Von Gott und seiner Dreieinigkeit

Artikel 2.1

Es gibt nur einen einzigen lebendigen und wahren Gott, der unendlich ist in Wesen und Vollkommenheit, ganz und gar Geist, unsichtbar, ohne Körper, Teile oder willkürliche Gemütserregungen. Er ist unveränderlich, unermeßlich, ewig, unbegreiflich, allmächtig, allwissend, absolut heilig, vollkommen frei, herrscht völlig uneingeschränkt und wirkt alle Dinge nach dem Rat seines eigenen unwandelbaren und absolut gerechten Willens zu seiner eigenen Ehre. Er ist voller Liebe, Gnade und Barmherzigkeit, geduldig, reich an Güte und Wahrheit, vergibt Missetat, Übertretung und Sünde und belohnt (WB 9,3; 16,6), die ihn eifrig suchen. Zugleich ist er absolut gerecht und sehr schrecklich in seinen Gerichten, denn er haßt alle Sünde und spricht den Schuldigen auf keinen Fall frei.

Artikel 2.2

Gott hat alles Leben, alle Herrlichkeit, Güte und Erfüllung in sich und von sich selbst, und ist allein in sich und für sich selbst allgenugsam: indem er in keiner Weise irgendeine Kreatur benötigt, die er geschaffen hat, noch auf irgendeine Ehre von dieser angewiesen ist; vielmehr offenbart er nur seine eigene Ehre in, durch, an und über diese. Er allein ist der Grund alles dessen, was ist, von dem, durch den und zu dem hin alle Dinge sind, und er hat die höchste Macht über sie, durch sie, für sie oder über ihnen zu tun, was immer ihm gefällt. Vor seinen Augen sind alle Dinge aufgedeckt und nichts entgeht ihm, sein Wissen ist unendlich, unfehlbar und unabhängig von den Kreaturen, so wie nichts für ihn zufällig oder ungewiß ist. Er ist ganz und gar heilig in seinen Ratschlüssen, in allen seinen Werken und in allen seinen Geboten. Ihm steht zu – von Engeln und Menschen und jeder anderen Kreatur -, was er auch immer nach seinem Gefallen von ihnen an Verehrung, Dienst oder Gehorsam fordert.

Artikel 2.3

In der Einheit der Gottheit sind drei Personen von einem Wesen, einer Macht und Ewigkeit: Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist. Der Vater ist von niemandem weder gezeugt noch ausgehend; der Sohn ist in Ewigkeit vom Vater gezeugt; der Heilige Geist geht in Ewigkeit vom Vater und vom Sohn aus.

3. Von Gottes ewigem Ratschluß

Artikel 3.1

Gott hat von aller Ewigkeit her nach dem vollkommen weisen und heiligen Ratschluß seines eigenen Willens uneingeschränkt frei und unveränderlich alles angeordnet, was auch immer geschieht; doch so, daß Gott dadurch weder Urheber der Sünde ist noch dem Willen der Geschöpfe Gewalt angetan, noch die Freiheit oder Möglichkeit der Zweitursachen (WB 5,2) aufgehoben, sondern vielmehr in Kraft gesetzt werden.

Artikel 3.2

Obwohl Gott alles weiß, was unter allen gegebenen Umständen geschehen soll oder kann, so hat er doch nichts aus dem Grund beschlossen, weil er es als zukünftig vorausgesehen hat5Da Gott über Raum und Zeit steht, sind für ihn Vergangenheit und Zukunft gegenwärtig. Aus dieser Perspektive heraus greift Gott in das Weltgeschehen ein (WB 5,2-3). ln diesem Zusammenhang grenzt sich das Westminster Bekenntnis gegen die Auffassung ab, als ob Prädestination nichts anderes als die Vorschau und Anordnung zukünftiger Ereignisse wäre. Dies wäre zwar für den menschlichen Verstand einigermaßen faßbar, scheitert jedoch an der unergründbaren Gottheit Gottes (WB 2,1-2): sein unendliches Wesen und der zeitlos in der Ewigkeit gefaßte, verborgene Ratschluß entzieht sich der Verstandeskraft des Menschen., oder daß es unter bestimmten Umständen eintreffen würde.

Artikel 3.3

Durch den Ratschluß Gottes sind zur Offenbarung seiner Ehre (HK1; WB 8,5; 11,3) die einen Menschen und Engel vorherbestimmt6(a) Die „doppelte Prädestination“ (Vorherbestimmung zum ewigen Leben oder ewigen Tod) weist auf den verborgenen Ratschluß Gottes hin, der hinter das offenbarte Heilsangebot Christi zurücktritt. Weder die missionarische Verkündigung, noch der persönliche Glaube kann sich an dem Verborgenen orientieren; es wäre eine Existenz der Angst, Haltlosigkeit und Verzweiflung. Vielmehr soll dem Evangelium Jesu Christi, als Verkörperung des offenbarten Ratschlusses, vertraut werden. Um uns festen Halt zu geben, hat uns Gott die Heilsverheißungen seines Wortes offenbart. Diese sollen ergriffen und als Frohbotschaft allen Menschen verkündigt, die unverdienbare göttliche Gnade nahegebracht, Trost und felsenfeste Hoffnung vermittelt werden. Wird dieses frohmachende Evangelium verkündigt und das angebotene Heil in Christus ergriffen, dann erweist sich der Zuspruch „vor Grundlegung der Welt erwählt worden zu sein“, als Quelle unversiegbarer Zuversicht und unfaßbarer Freude (WB 3,8; 17,1-2; 33,3).

(b) Doch was die einen zur Liebe und Anbetung Gottes drängt, läßt andere, die die Erbsünde (WB 5,6-A1; 9,3+A1; 9,5; 16,7) verwerfen, auf ihre menschlichen Tugenden, ihre Gerechtigkeit, frommen Werke oder den „freien“ Willen (WB 16,7) pochen, in Anklagen gegen Gott geraten. Allen Beschuldigungen hält die Heilige Schrift entgegen: Gott erwählt sich souverän sein Volk aus dem Menschengeschlecht und befähigt es durch seinen Heiligen Geist, nach Gott zu fragen, Christus zu erkennen zu lieben, ihm zu dienen und aus der empfangenen Vergebung heraus zu leben (WB 3,5; 7,1; 9,4; 10; 11,3; 16,3.6+A1; 17,2; 26,1; 33,2). All das geschieht nicht durch die Willenskraft des Menschen, der durch den Sündenfall nicht mehr fähig ist, aus eigener Kraft Gott wahrhaft zu erkennen; vielmehr ist der scheinbar entscheidungsfreie Mensch ohne Gott an seine eigene Bosheit gefesselt (über die Gott am Jüngsten Tag ein gerechtes Urteil sprechen wird), oder er wird durch das Wirken des Heiligen Geistes zur Nachfolge Christi befreit (was ganz und gar geschenkweise, unverdient und ohne menschliche Vorleistungen geschieht).

(c) Diesem Bekenntnis zur Souveränität und Majestät Gottes wurde zu allen Zeiten lebhaft widersprochen, was Paulus, Augustinus, Luther (gegen Erasmus), Calvin, die Synode von Dordrecht (1618-19, gegen Arminius) und viele andere nicht hinderte, die biblische Offenbarung gegen alle humanistische Infragestellung aufrecht zu erhalten.

(d) Die Heilige Schrift konfrontiert uns mit zwei „paradox“ wirkenden Grundaussagen: Die eine verweist auf Gottes universales Heilsangebot, die andere auf seine selektive Gnadenwahl. Hier das Heilsangebot für alle, dort die vorausgehend festgelegte Auswahl von wenigen. Was rational so unvereinbar zu sein scheint, spielt sich auf zwei verschiedenen Ebenen ab: auf der des ewigen, allmächtigen, in seinen Willensentscheidungen völlig freien, absolut gerechten Gottes – und jener des gefallenen, durch Raum und Zeit begrenzten Menschen. Das Westminster Bekenntnis bezeichnet die Ebene Gottes als „Erstursache“ aller Dinge und stellt die Ebene des Menschen in den Rahmen der „Zweitursachen“ (WB 5,2+A1).

(e) Der Wille Gottes – die doppelte Prädestination – vollzieht sich nun in der Perspektive des Menschen im Rahmen verschiedener Ereignisse, die wir den Umständen entsprechend als „notwendig (zwangsläufige Abfolge, Reaktionen usw.), freiwillig (durch unsere Willenskraft) oder zufällig“ erleben (WB 5,2+A1; 15,2; 16,3; 17,3; 18,3).

(f) Hier, im Rahmen der Zweitursachen, werden wir mit dem Wort Gottes konfrontiert und in die Heilsgeschichte Gottes einbezogen:
Wir ergreifen (oder verwerfen) freiwillig die Verantwortung (WB 10,1; 14,2). die wir vor Gott tragen. Wir empfangen Beauftragung, vernehmen den Appell an unseren Willen. Auf dieser Ebene werden wir vor Gott in die Entscheidung gestellt und rufen „an Christi Statt“ jeden Menschen in die Entscheidung, zur Umkehr (WB 15; 11,5; 3,8; 12; 14,3; 18,1) auf. Dieser Ruf erfolgt nicht einmalig im Leben eines Christen; vielmehr findet er sich in einen fortschreitenden Heiligungsprozeß hineingestellt und lebt aus stets neuer Umkehr und Bindung an das Wort Gottes.
Hier erfahren wir die Versiegelung mit dem Heiligen Geist durch den Glauben und die Gewißheit (WB 18,1-4) unseres Heils.
Hier formt sich unsere Hingabe, tätige Nächstenliebe, unser missionarischer Einsatz und heißes Gebet für die Gemeinde Jesu und eine gottentfremdete Welt. Hier ringen wir um jeden einzelnen, um die evangelistische Durchdringung unseres Landes, um die Heiligkeit der Gemeinde Jesu, um die Reinerhaltung biblischer Lehrwahrheiten – als ob alles an uns läge.
Bei all unserem Bemühen, für das uns Gott am Jüngsten Tag zur Rechenschaft ziehen wird, wissen wir, daß wir unser Leben – inmitten von Freude, Leid, Anfeindungen und Versagen – aus der Vorherbestimmung und Kraftwirkung des lebendigen Gottes führen können. Wir sind grundsätzlich Beauftragte und Befähigte der göttlichen Majestät und deshalb auch völlig geborgen in Gottes Ewigkeit, der alle Zweitursachen nach dem „Geheimnis seines Willens“ aus der Erstursache entspringen laßt.
zum ewigen Leben, die anderen verordnet zum ewigen Tod.

Artikel 3.4

Diese vorherbestimmten und zuvorverordneten Engel und Menschen sind besonders und unabänderlich bezeichnet, und ihre Zahl ist so gewiß und begrenzt, daß sie weder vermehrt noch vermindert werden kann.

Artikel 3.5

Diejenigen, die aus dem menschlichen Geschlecht zum Leben vorherbestimmt sind, hat Gott vor Grundlegung der Welt nach seinem ewigen und unwandelbaren Vorsatz und verborgenen Ratschluß und Wohlgefallen seines Willens in Christus zu ewiger Herrlichkeit erwählt; dies aus seiner völlig freien Gnade und Liebe – ohne jede Rücksicht auf Glauben und gute Werke oder die Beharrung (WB 9,3; 16,1-7; 17,1-3) in beiden, auch hat ihn keine in den Kreaturen vorhandene Voraussetzung oder Ursache dazu bewogen; und all das zum Lobpreis seiner herrlichen Gnade.

Artikel 3.6

Wie Gott die Erwählten zur Herrlichkeit berufen hat, so hat er nach dem ewigen und völlig freien Entschluß seines Willens alle Mittel dazu im voraus bestimmt. Deswegen sind die Erwählten, die in Adam gefallen sind, erlöst durch Christus; wirksam berufen (WB 10,1-4) zum Glauben an Christus durch seinen Geist, der zu seiner Zeit wirkt; sind gerechtfertigt, zur Kindschaft angenommen, geheiligt und bewahrt aus seiner Kraft durch den Glauben zum ewigen Heil. So sind auch keine anderen (WB 3,4; 10,4; 33,1-2) durch Christus erlöst, wirksam berufen, gerechtfertigt, angenommen, geheiligt und bewahrt als allein die Erwählten.

Artikel 3.7

Nach dem unerforschlichen Ratschluß seines eigenen Willens – aufgrund dessen er Barmherzigkeit walten läßt oder zurückhält (WB 2,1-2; 3,2; 5,6), wie es ihm gefällt – hat Gott beschlossen, die übrige Menschheit zur Ehre seiner höchsten Macht über seine Geschöpfe zu übergehen und sie zum Lob seiner vollkommenen Gerechtigkeit (WB 11,3) wegen ihrer Sünde zu Schmach und Zorn zu bestimmen.

Artikel 3.8

Die Lehre dieser tiefen Geheimnisse der Vorherbestimmung soll mit besonderer Klugheit und Sorgfalt behandelt werden, damit die Menschen – die den im Wort geoffenbarten Willen Gottes beachten und ihm Gehorsam leisten – in der festen Zuversicht auf ihre wirksame Berufung (WB 10,1-4) Gewißheit haben, daß sie in Ewigkeit erwählt worden sind. So soll diese Lehre als Grund zum Lobpreis, zur Ehrerbietung und Bewunderung Gottes und zu Demut, Fleiß und reichlichem Trost für alle, die dem Evangelium ernsthaft gehorchen (WB 15,1-2; 19,6; 20,1; 27,1), dienen.

4. Von der Schöpfung

Artikel 4.1

Es hat Gott dem Vater, Sohn und Heiligen Geist zur Offenbarung der Herrlichkeit seiner ewigen Macht, Weisheit und Güte gefallen, am Anfang die Welt und die Dinge in ihr zu schaffen, beziehungsweise aus Nichts zu machen. Dies alles, sowohl das Sichtbare als auch das Unsichtbare7Die Heilige Schrift gibt keinen direkten Hinweis, wann z.B. die Engel erschaffen wurden. Der Schluss, dass dies im Rahmen des 6-tägigen Schöpfungswerkes geschah, kann indirekt (WB 1,6-7) gezogen werden (Heer des Himmels/himmlische Heerscharen)., entstand in dem Zeitraum von sechs Tagen8Die Heilige Schrift bezeugt einen punktuellen Anfang (WB 1,6+A1; 1,9+A1) und ein punktuelles Ende der Schöpfung am Jüngsten Tag (WB 32; 33), jedoch keine Entwicklungsphasen im Sinn einer Evolutionstheorie. und war sehr gut.

Artikel 4.2

Nachdem Gott alle anderen Kreaturen gemacht hatte, erschuf er den Menschen, Mann und Frau, mit vernunftbegabten und unsterblichen Seelen; ausgestattet mit Erkenntnis, Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit nach seinem eigenen Ebenbild. Das Gesetz Gottes war in ihre Herzen geschrieben und sie besaßen die Kraft, es zu erfüllen; gleichzeitig stand ihnen jedoch die Möglichkeit zur Übertretung offen, indem sie der Freiheit ihres eigenen Willens, der dem Wechsel unterworfen war, überlassen wurden. Außer diesem in ihre Herzen geschriebenen Gesetz erhielten sie das eine Gebot, nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen. Solange sie dieses Gebot hielten, waren sie glücklich in der Gemeinschaft mit Gott und besaßen die Herrschaft über die Schöpfung.

5. Von der Vorsehung

Artikel 5.1

Gott, der große Schöpfer aller Dinge, erhält, lenkt, verfügt und regiert über alle Kreaturen, Handlungen und Dinge – von den größten bis hin zu den geringsten – durch seine vollkommen weise und heilige Vorsehung, nach dem unfehlbaren Vorauswissen und dem freien und unveränderlichen Ratschluß seines eigenen Willens zum Lob seiner herrlichen Weisheit, Macht, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.

Artikel 5.2

Obwohl in bezug auf das Vorauswissen und den Ratschluß Gottes – als der Erstursache – alle Dinge ohne geändert werden zu können, unfehlbar geschehen, so ordnet er sie doch durch seine Vorsehung so, daß sie sich nach der Natur der Zweitursachen9Die Heilige Schrift bezeugt einen punktuellen Anfang (WB 1,6+A1; 1,9+A1) und ein punktuelles Ende der Schöpfung am Jüngsten Tag (WB 32; 33), jedoch keine Entwicklungsphasen im Sinn einer Evolutionstheorie. entweder zwangsläufig, frei oder zufällig ereignen.

Artikel 5.3

In der Vorsehung (Durchführung seines Ratschlusses) macht Gott normalerweise von bestimmten Mitteln Gebrauch, ist aber frei, nach seinem Gefallen, ohne, über und gegen solche zu wirken.

Artikel 5.4

Die Allmacht, unerforschliche Weisheit und unendliche Güte Gottes offenbaren sich selbst in seiner Vorsehung so weit, daß sie sich sogar bis zum ersten Sündenfall und allen anderen Sünden von Engeln und Menschen erstrecken. Darin kommt nicht nur eine bloße Zulassung zum Ausdruck, vielmehr verbindet sie sich mit verschiedenartigen Fügungen, durch die Gott – zur Erfüllung seiner heiligen Ziele – seinen Geschöpfen in göttlicher Weisheit und Macht bestimmte Grenzen setzt und sie auf eine andere Art und Weise leitet und regiert. Das geschieht jedoch so, daß die Sündhaftigkeit nur vom Geschöpf ausgeht und nicht von Gott, der als ganz und gar heiliger und gerechter Gott die Sünde weder befürworten noch ihr Urheber sein kann.

Artikel 5.5

Der vollkommen weise, gerechte und gnädige Gott überläßt seine eigenen Kinder öfters eine Zeitlang verschiedenartigen Versuchungen und dem verderblichen Einfluß ihrer eigenen Herzen, um sie wegen ihrer früheren Sünden zu strafen oder ihnen die verborgene Kraft der Verdorbenheit und Falschheit ihrer Herzen aufzudecken, damit sie demütig werden. Dabei verfolgt Gott auch die Absicht, die Seinen zu bewegen, daß sie bei ihm in einer engeren und beständigeren Abhängigkeit Zuflucht suchen. Neben verschiedenen anderen gerechten und heiligen Zielsetzungen will er sie dadurch auf alle künftigen Ursachen der Sünde umso aufmerksamer machen.

Artikel 5.6

Gott verblendet und verstockt als ein gerechter Richter jene Menschen, die sündhaft und gottlos bleiben, wegen ihrer früheren Sünden. Dabei versagt er ihnen nicht nur seine Gnade10(a) Daß Gott Menschen verstockt, ihnen seine Gnade vorenthält und sie in ihrer Schuldverkettung überläßt, gehört in den unerforschlichen Bereich der Prädestination (WB 3,2+A1; 3,3+A1). Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Mensch willenlos das ausführen würde, was über sein Leben beschlossen ist. Gott übergeht den menschlichen Willen nicht, vielmehr treibt er diesen zur Entfaltung, sei es, daß er, durch die Erneuerung in Christus, zum Guten oder, gottentfremdet, zum Bösen bewegt wird. Beide, der Gerechtfertigte und der Gottlose, werden durch Gottes Kraft gedrängt, das willentlich zu tun, was in ihnen liegt.

(b) Luther versucht diesen Tatbestand folgendermaßen zu beschreiben: „Wenn Gott in den Bösen und durch die Bösen wirkt, geschieht zwar Böses; wobei Gott dennoch nicht böse handeln kann, wenn er auch Böses durch Böse wirkt; denn er, der Gute, kann nicht böse handeln, und gebraucht dennoch Böse und Werkzeuge, welche seiner Macht, die sie mit sich reißt und sie treibt, nicht entgehen können. Der Fehler also liegt in den Werkzeugen, die Gott nicht müßig sein läßt, sodaß Böses geschieht eben unter Gottes Antrieb, nicht anders als wenn ein Zimmermann mit einem gezackten und gezahnten Beil schlecht schneidet. Daher geschieht es, daß der Gottlose immer nur irren und sündigen kann, weil die göttliche Macht ihn in seiner Tätigkeit nicht müßig sein läßt, indem sie ihn mit sich reißt, aber er muß wollen, begehren und so tun, wie er selbst ist“ (aus: Vom unfreien Willen). Wird der Gottlose genötigt, die Frucht seines Handelns auszukosten, so gilt es für den Erlösten umso mehr, willentlich aus der Gnade Gottes zu leben: „Das nämlich behaupten wir fest und machen geltend, daß Gott, wenn er, abgesehen von der Gnade des Geistes, alles in allen wirkt, auch in den Gottlosen wirkt, weil er alles, was er allein geschaffen hat, auch allein bewegt, treibt und mitreißt durch die Bewegung seiner Allmacht; wobei der Gottlose Gott nicht entgehen kann noch seine Allmacht zu ändern vermag, sondern ihr folgen muß und gehorcht, ein jeder nach dem Maß seiner Kraft, die ihm von Gott gegeben ist; so wirkt alles, auch der Gottlose mit jenem zusammen. – Ferner, wo Gott durch den Geist der Gnade in jenen wirkt, die er gerecht gemacht hat, das ist in seinem Reich, treibt und bewegt er sie gleicherweise, und seitdem seine Erlösten eine neue Kreatur sind, folgen und wirken sie mit ihm zusammen oder werden vielmehr, wie Paulus sagt, getrieben“ (aus: Vom unfreien Willen).

(c) Dem Vorwurf, Gott sei ungerecht (WB 3,3-A1b-c), wenn er nicht alle Menschen in seine Gnade einschließt, begegnet Luther mit den Worten: „Fragt irgend jemand, warum Gott mit der Wirksamkeit seiner Allmacht, durch die der Wille der Gottlosen bewegt wird, nicht aussetzt, sodaß der Wille fortfährt, böse zu sein und böser zu werden? Die Antwort lautet: Das ist -wünschen, daß Gott wegen der Gottlosen aufhöre, Gott zu sein (WB 3,2; 3,8), weil man wünscht, daß seine Kraft und Wirksamkeit aussetzt, nämlich daß er aufhöre, gut zu sein, damit jene nicht böser werden. Aber warum wandelt er nicht zugleich die bösen Willen, die er bewegt? Das gehört zu den Geheimnissen der Majestät, wo seine Urteile unbegreiflich sind (WB 2,1-2; 3,2; 3,8). Und es ist nicht unsere Sache, dies zu erforschen, sondern diese Geheimnisse anzubeten.

Wenn nun Fleisch und Blut hieran Anstoß nehmen und murren, mögen sie meinetwegen murren, sie werden nichts zuwege bringen, Gott wird sich darum nicht ändern. Und wenn auch noch so viele Gottlose sich daran stoßen und abfallen, so werden die Erwählten dennoch daran festhalten. Dasselbe wird denen gesagt werden, die fragen: Warum hat Gott Adam lassen fallen, und warum schafft er uns alle mit derselben Sünde (WB 6,3) befleckt, obwohl er jenen hätte bewahren und uns aus etwas anderem oder so hätte schaffen können, daß zuvor der Same gereinigt war? Er ist Gott, für dessen Wille weder Ursache noch Grund Geltung haben die ihm als Regel oder Maß vorgeschrieben werden könnten, da ihm nichts gleich oder über ihm ist, sondern eben sein Wille ist die Regel für alles. Wenn nämlich für seinen Willen irgendeine Regel oder Maß oder Ursache oder Grund Geltung hätte, könnte er nicht mehr Wille Gottes sein. Denn nicht deshalb, weil er so wollen muß oder gemußt hat, ist das, was er will, recht, sondern im Gegenteil, weil er selbst es will, deswegen muß es recht sein. was geschieht. Dem Willen des Geschöpfes wird Ursache und Grund vorgeschrieben, aber nicht dem Willen des Schöpfers“ (aus: Vom unfreien Willen).

(d) Das Wissen, daß Gott in seiner unergründbaren Prädestination auch seine Gnade vorenthält leitet uns zu einem heilsamen Erschrecken vor der Heiligkeit und Majestät Gottes, nicht jedoch in die Verzweiflung, von Gott aufgegeben worden zu sein. Solches Erschrecken bewirkt der Heilige Geist, um uns zu veranlassen, daß wir umso fester und zuversichtlicher die Heilsverheißungen in Christus ergreifen (WB 10,2+A1a; 11,2; 12; 14,2; 15,2.6; 18,1-2; 19,6; 20,1) – oder aber den Stand unserer Verlorenheit erkennen, wenn unser Glaube nicht in Christus allein ruht. Deshalb stellt alle momentane Verzweiflung einen Lichtblick Gottes dar, der uns in der eigenen Finsternis den Weg zur Pforte des Heils ausleuchtet. In diesem Zusammenhang berichtet Luther aus seinem Leben: „Ich selbst habe mehr als einmal daran Anstoß genommen, und zwar bis an den Abgrund und die Hölle der Verzweiflung, daß ich wünschte, niemals als Mensch geschaffen zu sein, ehe ich wußte, wie heilsam jene Verzweiflung sei und wie nahe die Gnade“ (aus: Vom unfreien Willen). Schon in seiner ersten reformatorischen Veröffentlichung, den „95 Thesen“, spricht Luther davon: „Der Mensch muß zuerst schreien, es sei nichts Heiles an ihm… In solcher Verwirrung beginnt die Erlösung. Wenn ein Mensch glaubt, er sei völlig verloren, so beginnt das Licht zu leuchten. – Friede kommt durch das Wort von Christus im Glauben.“

(e) Für die Gemeinde Gottes bedeutet das Wissen, daß Gott selbst die Bösen durch seine mächtige Hand bewegt, nicht geringen Trost. Denn diese Erkenntnis stärkt ihr Vertrauen, in Gottes Allmacht geborgen zu sein. Es wendet ihren Blick ab von allen Nöten, die sie bedrängen, und macht ihren Blick frei, allein mit dem zu rechnen, der sie vor Grundlegung der Welt geliebt und beim Namen gerufen hat. Deshalb kann keine Nachstellung des Bösen die Zuversicht und Freude in Christus trüben – selbst in der Zeit vor der unmittelbaren Wiederkunft des HERRN nicht, wenn das apokalyptische Chaos die Welt in den Abgrund zu reißen beginnt. Sagt nicht Jesus dem alle Gewalt über Himmel und Erde gegeben ist – selbst: Wenn aber dieses zu geschehen anfängt, so richtet euch auf und erhebt eure Häupter, weil eure Erlösung naht?
, durch die sie in ihrem Verstand hätten erleuchtet und in ihren Herzen in Bewegung hätten gebracht werden können, sondern manchmal entzieht er ihnen auch die Gaben, die sie hatten, und setzt sie solch widerlichen Dingen aus, die zu einer derartigen Zerrüttung der menschlichen Persönlichkeit führen, daß die Gelegenheit zur Sünde umso mehr gesucht wird. In all dem überläßt er sie ihren eigenen Lüsten, den Versuchungen der Welt und der Macht des Satans, was zur Folge hat, daß sie sich genau unter denselben Mitteln verhärten, die Gott sonst gebraucht, um andere zu erweichen.

Artikel 5.7

Wie sich die Vorsehung Gottes im allgemeinen auf alle Geschöpfe erstreckt, so trägt sie auf eine ganz besondere Weise Sorge für seine Kirche und wendet ihr alle Dinge zum Guten.

6. Vom Fall des Menschen, von der Sünde und deren Strafe

Artikel 6.1

Verführt durch die List und Versuchung Satans, haben unsere ersten Eltern gesündigt11Die Verkündigung des Evangeliums baut auf dem Wissen auf, daß der Mensch – durch den Sündenfall seiner Ureltern von Gott entfremdet – durch Gottes Barmherzigkeit in den Urstand der Sündlosigkeit zurückgeführt wird (Garten Eden – himmlisches Paradies). Die Heilige Schrift betont die Historizität der Ereignisse am Anfang der Menschheitsgeschichte und stellt sie im Neuen Testament Jesus Christus und seinem Heilswerk gegenüber: So wie durch den historischen Adam Sünde und Tod in die Welt kam, so kam durch den historischen, inkarnierten Sohn Gottes Vergebung und ewiges Leben., indem sie die verbotene Frucht aßen. Nach seinem weisen und heiligen Ratschluß hat es Gott gefallen – in der Absicht, daß es zu seiner eigenen Ehre hinausführen sollte (WB 11,3) – diese ihre Sünde zuzulassen.

Artikel 6.2

Durch diese Sünde sind sie aus ihrer ursprünglichen Gerechtigkeit und Gemeinschaft mit Gott gefallen und so Tote in Sünden geworden; gänzlich verdorben in allen Fähigkeiten und Teilen von Seele und Leib.

Artikel 6.3

Weil sie die Wurzel der ganzen Menschheit sind, wurde ihrer gesamten Nachkommenschaft, die von ihnen durch natürliche Zeugung abstammt, die Schuld dieser Sünde zugerechnet und derselbe Tod in Sünden und die verdorbene Natur auf sie übertragen.

Artikel 6.4

Dieser ursprünglichen Verderbnis, durch die wir äußerst abgeneigt, unfähig und feindlich gegenüber allem Guten und gänzlich hingeneigt zu allem Bösen sind, entspringen alle tätlichen Übertretungen.

Artikel 6.5

Solche Verderbnis der Natur bleibt während dieses Lebens auch in denjenigen, die wiedergeboren sind, und obwohl sie durch Christus vergeben und getötet wird, so ist doch beides, sie selbst und alle ihre Regungen, wahrhaftig und eigentlich Sünde.

Artikel 6.6

Jede Sünde bringt entsprechend ihrer eigenen Natur Schuld über den Sünder. Dies trifft sowohl auf die angeborene als auch auf die tätliche Sünde zu, denn beides stellt Übertretung und Widerspruch gegen das gerechte Gesetz Gottes dar. Deshalb ist der Sünder dem Zorn Gottes und dem Fluch des Gesetzes verfallen und damit dem Tod mit allem geistlichen, zeitlichen und ewigen Elend unterworfen.

7. Vom Bund Gottes mit den Menschen

Artikel 7.1

Der Abstand zwischen Gott und der Schöpfung ist so gewaltig, daß die vernunftbegabte Schöpfung niemals irgendwelche himmlische Freude oder Belohnung als Ausdruck ihres Anteils an Gott (im Sinn eines selbstverständlichen Anrechts) empfangen könnte, obwohl sie Gott als ihrem Schöpfer Gehorsam schuldet – es sei denn dadurch, daß sich Gott selbst zum Menschen freiwillig herabneigt, was er mit Hilfe des Bundes zum Ausdruck bringen wollte.

Artikel 7.2

Der erste mit den Menschen geschlossene Bund war ein Bund der Werke, worin Adam und in ihm seiner Nachkommenschaft das Leben unter der Bedingung eines vollkommenen und persönlichen Gehorsams verheißen worden war.

Artikel 7.3

Nachdem sich der Mensch durch seinen Fall unfähig gemacht hatte, im Rahmen jenes Bundes zu leben, hat es dem Herrn gefallen, einen zweiten aufzurichten, allgemein „Bund der Gnade“ genannt. In ihm bietet er Sündern Leben und Erlösung durch Jesus Christus an, indem er von ihnen Glauben an ihn fordert, damit sie erlöst werden können; in ihm hat er verheißen, all denjenigen seinen Heiligen Geist zu geben, die zum Leben verordnet sind, um ihren Willen zu wecken (HK 1; WB 7,3; 11,5; 15,3; 18,4) und sie zum Glauben fähig zu machen.

Artikel 7.4

Dieser Bund der Gnade wird in der Schrift häufig als ein Testament bezeichnet; das bezieht sich auf den Tod Jesu Christi als dem Testator und auf das ewige Erbe, das mit allem, was dazu gehört, darin vermacht wird.

Artikel 7.5

Dieser Bund wurde in der Zeit des Gesetzes und in der Zeit des Evangeliums auf verschiedene Weise gehandhabt: unter dem Gesetz wurde er durch Verheißungen, Prophezeiungen, Opfer und Beschneidung vollzogen, durch das Passahlamm und andere Vorbilder und Anordnungen, die dem Volk der Juden aufgetragen waren und alle das Kommen Christi im voraus andeuteten. Das reichte in jener Zeit aus und bewirkte durch die Hilfestellung des Heiligen Geistes, daß die Erwählten unterwiesen und im Glauben an den verheißenen Messias – durch den sie volle Vergebung der Sünden und ewige Erlösung hatten – gefestigt wurden; das wird das Alte Testament genannt.

Artikel 7.6

Unter dem Evangelium – als Christus, das eigentliche Wesen des Bundes, erschien – wird dieser Bund durch die Anordnung, das Wort zu predigen und die Sakramente von Taufe und Abendmahl zu verwalten, vollzogen. Obwohl geringer an Zahl, mit mehr Einfachheit und weniger äußerem Glanz verwaltet, ist in diesen Anordnungen dennoch dasselbe in größerer Fülle, Klarheit und geistlicher Wirksamkeit für alle Völker enthalten, für beide: Juden und Heiden; das wird das Neue Testament genannt. Aus diesem Grund gibt es nicht zwei Gnadenbünde, die ihrem Wesen nach zu unterscheiden wären, sondern ein und denselben in verschiedenen Ausführungen.

8. Von Christus, dem Mittler

Artikel 8.1

Es hat Gott in seinem ewigen Vorsatz gefallen, den Herrn Jesus, seinen eingeborenen Sohn, zu erwählen und zum Mittler zwischen Gott und Menschen zu bestimmen, zum Propheten, Priester und König, zum Haupt und Erlöser seiner Kirche, zum Erben aller Dinge und zum Richter der Welt. Ihm hat er von Ewigkeit her ein Volk gegeben, das seine Nachkommenschaft sein und von ihm zu seiner Zeit erlöst, berufen, gerechtfertigt, geheiligt und verherrlicht werden sollte.

Artikel 8.2

Der Sohn Gottes, die zweite Person in der Dreieinigkeit, wahrer und ewiger Gott, von einem Wesen und gleich mit dem Vater, nahm, als die Fülle der Zeit gekommen war, menschliche Natur an sich mit all deren wesentlichen Eigenschaften und allgemeinen Schwachheiten, jedoch ohne jede Sünde. Er wurde durch die Kraft des Heiligen Geistes im Leib der Jungfrau Maria empfangen, ausgestattet mit der menschlichen Natur ihres Wesens. So sind die beiden ganzen, vollständigen und verschiedenartigen (WB 7,1; 8,7) Naturen – die Gottheit und die Menschheit – untrennbar in einer Person vereinigt, ohne Verwandlung, Zusammensetzung oder Vermischung. Dieser Person ist wahrer Gott und wahrer Mensch, doch nur der eine Christus, der einzige Mittler (WB 21,2) zwischen Gott und Menschen.

Artikel 8.3

In seiner menschlichen Natur auf diese Weise mit der göttlichen Natur vereinigt, wurde der Herr Jesus über die Maßen geheiligt und gesalbt mit dem Heiligen Geist. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis; so hat es Gott gefallen, daß in ihm die Fülle wohnen sollte. All das diente dem Ziel, daß er – heilig, ohne Schuld, rein und voller Gnade und Wahrheit – völlig ausgerüstet sei, um die Aufgabe eines Mittlers und Bürgen auszuführen. Er hatte dieses Amt nicht selbst ergriffen, sondern wurde von seinem Vater dazu berufen, der ihm alle Macht und alles Gericht in seine Hand gegeben und ihn beauftragt hat, dieses auszuführen.

Artikel 8.4

Diese Aufgabe hat der Herr Jesus völlig freiwillig übernommen. Um sie zu erfüllen, wurde er unter das Gesetz getan, erfüllte es vollständig und erduldete bitterste Qualen sowohl an seiner Seele als auch äußerst schmerzhafte Leiden an seinem Leibe. Er wurde gekreuzigt und starb, wurde begraben und blieb unter der Macht es Todes, sah jedoch keine Verwesung. Am dritten Tag ist er mit demselben Leib auferstanden von den Toten, in welchem er gelitten hat; in demselben fuhr er auch in den Himmel auf, sitzt dort zur Rechten seines Vaters und legt Fürsprache ein. Von dort wird er wiederkommen, um Menschen und Engel am Ende der Welt zu richten.

Artikel 8.5

Der Herr Jesus hat der Gerechtigkeit seines Vaters vollständig entsprochen, indem er sich selbst in völligem Gehorsam durch den ewigen Geist ein für allemal (WB 29,2) Gott geopfert hat. Damit hat er nicht nur die Versöhnung erworben, sondern auch ein ewiges Erbe im Himmelreich für alle diejenigen, welche ihm der Vater gegeben hat.

Artikel 8.6

Obwohl das Werk der Erlösung von Christus eigentlich erst nach seiner Menschwerdung vollbracht worden ist, so sind doch dessen Kraft, Wirkung und Wohltaten den Erwählten zu allen Zeiten seit Anfang der Welt12Die Stelle aus Offenbarung 13,8 läßt zwei Lesarten zu: die eine (wie sie hier im Westminster Bekenntnis zitiert wird) bezieht die ewige Vorherbestimmung „vor Grundlegung der Welt“ auf das Lamm, die andere (nach der Lesart der Lutherbibel) auf jene, die „nicht im Buch des Lebens geschrieben sind.“ Beide sagen jedoch unter verschiedenen Blickwinkeln im Kern dasselbe aus, indem die Vorherbestimmung (WB 3,3+A1) entweder im Sinn der Erwählung auf Christus und seine Erlösten bezogen wird, oder aber im Sinn der Verwerfung auf die Gottlosen (WB 5,6+A1). in und durch jene Verheißungen, Vorbilder und Opfer übereignet worden, in denen er geoffenbart und angekündigt worden ist, daß er der Nachkomme der Frau sei, der den Kopf der Schlange zertreten sollte, und das Lamm, geschlachtet von Anbeginn der Welt, gestern und heute derselbe und in Ewigkeit.

Artikel 8.7

Christus handelt im Werk der Mittlerschaft nach beiden Naturen, durch jede Natur dementsprechend, was zu ihrem besonderen Wesen gehört; doch wegen der Einheit der Person wird in der Schrift manchmal das, was zur einen Natur gehört, der Person zugeschrieben, die nach der anderen Natur gekennzeichnet ist.

Artikel 8.8

Auf alle diejenigen, für welche Christus die Erlösung erworben hat, überträgt und wendet er sie gewiß und wirksam (WB 10; 11,1; 13,1; 14,1) an. Dabei tritt er für sie ein und offenbart ihnen in und durch das Wort die Geheimnisse der Erlösung; er überzeugt sie durch seinen Geist so nachhaltig, daß sie Glauben finden und Gehorsam leisten, und leitet ihre Herzen durch sein Wort und seinen Geist; dabei überwindet er auch durch seine allmächtige Kraft und Weisheit alle ihre Feinde auf eine Art und Weise, wie es seinen wunderbaren und erforschlichen Fügungen entspricht.

9. Vom freien Willen

Artikel 9.1

Gott hat den Willen des Menschen mit einer solchen Freiheit ausgerüstet, daß er weder zum Guten oder Bösen gezwungen, noch durch irgendeine absolute natürlich Notwendigkeit begrenzt worden ist.

Artikel 9.2

In seinem Stand der Unschuld besaß der Mensch die Freiheit und Kraft, das zu wollen und zu tun, was gut und wohlgefällig vor Gott ist; dies jedoch veränderlich, sodaß die Möglichkeit gegeben war, auch davon abzufallen.

Artikel 9.3

Durch seinen Fall in den Stand der Sünde hat der Mensch alle mit seiner Erlösung verbundene Fähigkeit verloren, das geistlich Gute13(a) Der gefallene Mensch ist durch seine Sündhaftigkeit nicht in der Lage, sich „für“ Gott zu entscheiden; deshalb wird sein naturgemäß zum Bösen geneigter, „unfreier“ Wille erst dann frei, wenn er durch die Zuneigung der Vergebung Christi (WB 11,1-6; 14,2; 15,2) (Wiedergeburt durch den Glauben) erneuert wird. So muß jede Tat des Menschen daran gemessen werden, ob sie aus einem durch Christus befreiten Willen entspringt oder nicht. Gott kann nur annehmen, was durch Christus geheiligt wurde (WB 16,6+A1). Deshalb kann keine menschliche Tugend – wie vorbildlich und nachahmenswert sie auch sein mag – vor Gott bestehen, wenn sie sich nicht aus der Kraftwirkung des Heiligen Geistes heraus entfaltet. Dies führt zu einer erschreckenden Konsequenz: Ist Gott nicht selbst die Quelle, so stellt alles Streben und Bemühen nach Tugenden nichts anderes, als die Verwerfung Christi dar; denn auf diese Weise bringt der Mensch zum Ausdruck, daß er auch durchaus ohne die Hilfe des Heiligen Geistes, ohne Umkehr und Erneuerung aus dem bloßen Glauben, also ohne Christus ein unantastbares Leben führen könnte. Dem hält Luther entgegen: „Paulus nennt „Fleisch“, was immer ohne Geist ist … Deshalb sind jene höchsten Tugenden der besten Menschen „fleischlich“ das heißt, sie sind tot, gottfeindlich, haben sich dem Gesetz nicht unterworfen (das ihre Selbstgefälligkeit anklagt)* … und sind nicht Gott wohlgefällig“ (aus: Vom unfreien Willen).

(b) Das römisch-katholische Verständnis von der „similitudo Dei“ (Nachahmung Gottes) wurzelt in diesem Fehlverständnis. So soll auf der Grundlage eines „freien Willens“ Christus durch ähnliche Verhaltensweisen nachgeahmt werden. Es wird dabei die äußere Ähnlichkeit gesucht und durch verschiedene Methoden (z.B. unter dem Einfluß von Exerzitien) eine bestimmte „Spiritualität“ entwickelt, sodaß sich – menschlich gesehen – hervorragende Charaktere herausbilden. Die Tragik liegt jedoch darin, daß diese Art der Charakterschulung das eigentliche Zentrum des Evangeliums umgeht: Nicht Gott, sondern der Mensch übernimmt die Heiligung. Äußere Methoden ersetzen das innere Wirken des Heiligen Geistes. Der Heilsweg Christi wird psychologisch nachvollzogen, jedoch nicht durch den schlichten Glauben an das Wort Gottes ergriffen. Die heilsnotwendige Umkehr (WB 15,1-2) und Wiedergeburt durch den Heiligen Geist wird durch mystische Versenkung in die Nähe Gottes (WB 13,1-A1c-d; 21,3-A1d; 28,5-A2) umgangen. Es ist naheliegend, daß solche Übungen eine mediale (WB 13,1-A1c) Prägung aufweisen und sich mit dem Okkultismus berühren, wenn besondere „spirituelle Gotteserfahrungen“ gemacht werden.

(c) Unabhängig vom Denkansatz mag das Resultat aller Versuche, ein charakterlich vorbildliches Leben zu führen, ähnlich aussehen: ob durch eine römisch-katholische Methode der Nachahmung Christi; ob aus einer rein säkularen, humanistischen Weltanschauung heraus, ohne spezifisch religiöse Bindung; oder aber ob durch das heiligende Wirken des Heiligen Geistes in dem Menschen, der allein auf Christus vertraut. Doch was vor unseren Augen ähnlich zu sein scheint, weist vor Gott einen Unterschied wie zwischen Himmel und Hölle auf. Gott kann nur annehmen, was er selbst wirkt. Dies gilt auch dann, wenn von römisch-katholischer Seite eingeworfen wird, der „freie Wille“ des Menschen würde doch nicht ohne, sondern „zusammen mit“ Gottes Gnade die Wahl zwischen Gut und Böse treffen. Dieser Ansatz scheitert jedoch am biblischen Gnadenverständnis: Gnade ist Geschenk, nur Geschenk, völlig unverdientes Geschenk . Wenn jemand diesem Geschenk Christi – wenn auch nur teilweise – seine Fähigkeiten, Verdienste, Werke, sein Streben und Bemühen beirechnet, dann hat er den Geschenkscharakter des Evangeliums, ja Christus verworfen. Doch das ist die Frohbotschaft des Evangeliums: Gott gibt sich selbst und dies ganz zum Geschenk. Er ist nicht im geringsten, auch nicht „teilweise“, käuflich.

(d) Da die Gnade reinen Geschenkscharakter besitzt und durch menschliche „Mithilfe“ nur sündhaft entstellt würde, stellt Luther fest: „Die Gnade duldet bei sich nicht das kleinste Stück oder die geringste Kraft des freien Willens. Daß aber die Schirmherren des freien Willens Christus verleugnen, beweist nicht nur die Schrift, sondern auch ihr Leben selbst. Denn daher haben sie Christus nicht mehr zu einem gütigen Mittler, sondern zu einem furchtbaren Richter gemacht, den sie durch die Fürbitten der Mutter Maria und der Heiligen (WB 21,2+A1; 21,4+A1), sodann durch die vielen erfundenen Werke, Zeremonien (WB 16,1; 20,2; 21,1), Mönchsorden und Gelübde (WB 22,7) zu versöhnen sich bemühen; mit dem allen gehen sie darauf aus, daß ihnen der versöhnte Christus Gnade schenke; aber sie glauben nicht, daß er bei Gott sie vertrete und ihnen die Gnade erwirke durch sein Blut – und zwar: ‚Gnade um Gnade‘. Und wie sie glauben, so haben sie es. Es ist nämlich Christus jenen in Wahrheit und verdientermaßen ein unerbittlicher Richter, weil sie ihn als den gnädigsten Mittler und Erlöser verlassen und sein Blut und seine Gnade für wertloser halten als das eifrige Streben und Bemühen des freien Willens“ (aus: Vom unfreien Willen).
zu wollen. Deshalb ist der natürliche, völlig von diesem Guten abgewandte, in Sünden tote Mensch unfähig, sich durch eigene Kraft selbst zu bekehren oder sich selbst darauf vorzubereiten.

Artikel 9.4

Wenn Gott einen Sünder bekehrt und ihn in den Stand der Gnade versetzt, befreit er ihn von seiner angeborenen Versklavung unter die Sünde und macht ihn durch seine Gnade allein fähig, frei das zu wollen und zu tun, was geistlich gut ist, jedoch so, daß er aufgrund seiner verbleibenden Verderbnis nicht vollkommen oder ausschließlich das will, was gut ist, sondern auch das, was böse ist.

Artikel 9.5

Der Wille des Menschen wird erst im Stand der Herrlichkeit völlig und unveränderlich dazu befreit sein, um nur das Gute zu tun.

10. Von der wirksamen Berufung

Artikel 10.1

Alle diejenigen, die Gott zum Leben vorherbestimmt hat, diese allein beruft er14(a) Der HERR beruft durch sein Wort. Dieses Wort muß durch Menschen aus der Kraft des Heiligen Geistes heraus verkündigt werden. Wird die Botschaft des Evangeliums verkündigt, so kommt das Wort Gottes kraft seiner Verheißung nicht leer zurück“; wird sie jedoch verschwiegen, so kann auch keine wirksame Berufung erfolgen.

(b) Um diese Berufung bekannt zu machen, verwendet der Herr seine Gemeinde. Sie ist von ihm in den Zeugenstand gerufen und beauftragt worden, das an sich selbst erfahrene Heilswerk Christi zu bezeugen und als Angebot der Vergebung allen Menschen zu verkündigen. In diesem Zeugenstand werden die ordinierten „Diener des Wortes“ (WB 24,3-A4; 25,3-A1; im Rahmen der öffentlichen Verkündigung und Lehrvermittlung zwar in größerem Maß zur Rechenschaft gezogen, doch trägt vor Gott jeder Christ dieselbe Verantwortung, um sich durch Gebet, Wort und Tat missionarisch einzubringen (WB 3,3-A1f; 15,1), damit die Verlorenen gerettet werden können.

(c) Fehlt diese brennende Hingabe an den Missionsauftrag Christi, so zieht sich die betreffende Person oder Gemeinde (WB 25,3-A1h; 25,4-5) das Gericht Gottes zu, weil sie schuldig an denen wurde, die ungewarnt und ungeliebt verloren gehen. Wie Christus von seinem Vater, so hat er seine Gemeinde mit der Versöhnungsbotschaft in die Welt gesandt; wird dieser Auftrag versäumt oder nur halbherzig aufgegriffen, so wird damit zur eigenen Schande öffentlich bekräftigt, daß die Liebe Christi bloß egoistisch – zur vordergründigen Inanspruchnahme der „eigenen Erwählung“ – aufgegriffen und in ihrer Wesensmitte – die sich am gottentfremdeten „Kranken“ orientiert – verworfen wurde.
nach seinem Wohlgefallen zu seiner bestimmten und willkommenen Zeit wirksam durch sein Wort und seinen Geist aus dem Stand von Sünde und Tod, worin sie von Natur sind, zur Gnade und Erlösung durch Jesus Christus, indem er ihren Verstand erleuchtet, die göttlichen Dinge geistlich und zum Heil zu verstehen, ihr steinernes Herz wegnimmt und ihnen ein fleischernes Herz gibt, ihre Willensregungen erneuert und sie durch seine allmächtige Kraft zum Guten bestimmt und sie wirksam zu Jesus Christus zieht, doch so, daß sie ganz freiwillig kommen, im Willen geweckt durch seine Gnade.

Artikel 10.2

Diese wirksame Berufung stammt allein von Gottes freier und besonderer Gnade, ganz und gar nicht von irgend etwas, was im Menschen vorausgesehen war, der darin ganz passiv ist, bis er – durch den Heiligen Geist belebt und erneuert – dadurch befähigt ist, seiner Berufung zu folgen und die darin angebotene und vermittelte Gnade zu empfangen.

Artikel 10.3

Die erwählten Kinder, die in ihrer Kindheit sterben, sind wiedergeboren und gerettet durch Christus mittels des Geistes, der wirkt, wann und wo und wie es ihm gefällt. Ebenso verhält es sich mit allen anderen erwählten Personen, die unfähig sind, durch den Dienst des Wortes äußerlich berufen zu werden.

Artikel 10.4

Andere, die nicht erwählt sind, kommen, obwohl sie durch den Dienst des Wortes berufen werden und einige allgemeine Wirkungen des Geistes haben mögen, doch niemals wirklich zu Christus und können deswegen nicht gerettet werden. Viel weniger können Menschen, die den christlichen Glauben nicht bekennen, auf irgendeine andere Weise gerettet werden (WB 3,4; 33,1-2), seien sie auch noch so fleißig, ihr Leben nach der natürlichen Offenbarung (WB 1,1; 21,1) und den Vorschriften der Religion, die sie bekennen, einzurichten. Die Behauptung, sie könnten doch gerettet werden, ist sehr schädlich und zu verwerfen.

11. Von der Rechtfertigung

Artikel 11.1

Diejenigen, die Gott wirksam beruft (WB 10,1; 12), die rechtfertigt er auch aus Gnaden, nicht indem er sie mit Gerechtigkeit erfüllt, sondern dadurch, daß er ihre Sünden vergibt und ihre Personen als gerecht erachtet und sie annimmt, nicht wegen irgend etwas, was in ihnen bewirkt oder von ihnen getan worden ist, sondern um Christi willen allein. Weder der Glaube selbst, nämlich der Glaubensakt (WB 14,2; 15,3), noch irgendein anderer evangelischer Gehorsam (wie die Umkehr [WB 15,1-6] zu Christus, wird ihnen als Gerechtigkeit angerechnet. Vielmehr erfolgt die Rechtfertigung dadurch, daß ihnen die Gerechtigkeit und die Sühne Christi angerechnet wird, wobei sie sich auf ihn und seine Gerechtigkeit verlassen und diese durch den Glauben empfangen; solch einen Glauben haben sie jedoch nicht aus sich selbst – er ist ein Geschenk Gottes.

Artikel 11.2

Der Glaube, nämlich Christus aufzunehmen und auf ihn und seine Gerechtigkeit zu vertrauen, ist das einzige Mittel der Rechtfertigung. Doch er ist in der gerechtfertigten Person nicht allein, sondern immer vereint mit allen anderen heilsamen Gnadengaben; so ist er kein toter Glaube, sondern ein Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

Artikel 11.3

Durch seinen Gehorsam und Tod hat Christus die Schuld all jener völlig getilgt, die so gerechtfertigt sind. Zu ihren Gunsten leistete er der Gerechtigkeit seines Vaters eine angemessene, wirkliche und völlige Genugtuung. Doch insofern, als er von seinem Vater dahingegeben und sein Gehorsam und seine Sühne an ihrer Statt angenommen wurde, und beides freiwillig und wegen keiner Ursache in ihnen (WB 7,1; 15,3) geschah, ist ihre Rechtfertigung allein Sache der freien Gnade. Deshalb soll in der Rechtfertigung des Sünders beides, die strikte Gerechtigkeit wie auch die reiche Gnade Gottes, verherrlicht werden.

Artikel 11.4

Gott hat von aller Ewigkeit her beschlossen, alle Erwählten zu rechtfertigen; so ist Christus in der Fülle der Zeit für ihre Sünden gestorben und um ihrer Rechtfertigung willen wieder auferstanden – trotzdem sind sie nicht gerechtfertigt, bis der Heilige Geist zu seiner Zeit ihnen Christus wirklich zueignet.

Artikel 11.5

Gott hört nicht auf, denjenigen, die gerechtfertigt sind, die Sünden zu vergeben, und obwohl sie aus dem Stand der Rechtfertigung nie mehr fallen können, so können sie doch durch ihre Sünden unter Gottes väterliches Mißfallen geraten. Dabei haben sie nicht eher das Licht seines gnädigen Angesichts wieder über sich, bevor sie sich nicht selbst demütigen, ihre Sünden bekennen, um Vergebung bitten und ihren Glauben durch Umkehr erneuern.

Artikel 11.6

Die Rechtfertigung der Gläubigen im Alten Testament war in jeder Hinsicht ein und dieselbe wie die Rechtfertigung der Gläubigen im Neuen Testament.

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